Podencorosa e.V.

Interview mit Christine Holland

Interview mit Christine Holland, Italien

(weitere Infos zu dem gemeinsamen Projekt mit Christine Holland bitte HIER klicken)

Podencorosa: Wie lange engagierst du dich schon für den Auslandstierschutz und wie genau hat alles für dich begonnen?

Christine: Von 2010-2012 half ich einem Verein, der ein Tierheim in Spanien betreute. Das „Vereinsleben“ dort erschien mir doch etwas kompliziert. Daher entschied ich mich, es im Alleingang zu versuchen; auch dachte ich anfänglich nur an Spendenfahrten. Es begann in Norditalien, da es für uns logistisch einfacher zu erreichen war. In 2013 entdeckte ich dann die Schäferhündin Stella auf Facebook und ich entschied, dass sie „Mein“ wird. Somit begann der Kontakt mit Sonia und Eliza aus Sizilien. Dieses „Bündnis“ ist zu einer Freundschaft voller Vertrauen gewachsen, welche bis heute anhält. Aber der Weg war nicht einfach, vor allem, weil Italiener kein oder kaum englisch sprechen. Also musste ich Italienisch lernen, eigentlich via Facebook. Ich habe Vokabeln in den jeweiligen Zeiten auswendig gelernt, um mich halbwegs vernünftig auszudrücken zu können. Es gab natürlich auch kulturelle Hürden! Am Ende, „seit Stella“, begann ich, auch Plätze für italienische Hunde in Deutschland zu suchen. Nie hätte ich damals gedacht, dass es ein Fulltime-Job werden könnte.

Kooperation mit dem Podencorosa e.V.

Christine Holland Spanien

Podencorosa: Bist du als „einsamer Wolf“ unterwegs oder unterstützt dich jemand bei deiner Arbeit?

Christine: In der Vorbereitung und der gesamten Organisation (Fotos, Beschreibungen der Hunde, Bürokratie mit unendlichen Listen, Kosten) fühle ich mich oft einsamer, als der einsame Wolf. Ich, als Bindeglied zwischen Deutschland und Sizilien, mache alles alleine. Ansonsten habe ich im Laufe der Jahre einige Kooperationen gefunden, die mir immer wieder eine helfende Hand reichen und Plätze in Deutschland bieten; wie auch die Podencorosa! Welch ein Segen, denn was bringt mir all meine Organisation, wenn ich keine Lösung für die Hunde in Deutschland fände? Am Ende ist es ein liebevolles Miteinander: Die Sizilianer vor Ort, die „not-retten“ und alles organisieren, ich als Bindeglied und die Vereine in Deutschland, die mir treu zur Seite stehen und helfen. Nur mit dieser Gemeinschaft kann alles funktionieren.

Podencorosa: Welche Veränderungen sind dir im Laufe der Jahre bei deiner Arbeit im Tierschutz aufgefallen und welche war deiner Meinung nach die wichtigste?

Christine: Unter dem Aspekt „Hunde aus dem Ausland“ oder auch dem Tierschutz bei Nutztieren, fallen mir nur Veränderungen auf dem Papier auf, nicht jedoch in der Umsetzung. „Die Guten“ haben schon vorher korrekt gearbeitet, holen Hunde mit Traces, aber die, die man eigentlich verhindern will, fahren unverändert illegal! Im Gesamtbereich Nutztiere haben wir ein Tierwohllabel, für mich einfach lächerlich; sei es in der Haltung oder beim Transport. So lange ich im Radio höre, dass wieder mal ein regionaler Bauer aufgeflogen ist, weil die Kühe bis zum Knie im Mist standen usw. Von daher, in der Summe, hat sich für mich nichts zum Guten geändert. Schon gar nicht, wenn man ins Ausland schaut, wo noch nicht einmal die Wurzeln der Missstände bekämpft werden, beispielsweise bei private Halter von Tieren.

Podencorosa: Wie haben das Internet und Social Media deine Arbeit verändert?

Christine: Der große Vorteil ist die gewonnene Zeit und die Sichtbarkeit. Man kann viel exakter arbeiten, was z.B. Fotos und Daten angeht. Die Sichtbarkeit bietet den Hunden eine größere Chance, gesehen zu werden. Aber natürlich ist auch viel Trash in den sozialen Medien. Jeder kann – ungefragt – eine Meinung zu einem Thema abgeben, von dem er keine Ahnung hat.

Podencorosa: Wie beurteilst du die aktuelle Situation in Italien?

Christine: Die Menschen verstehen nicht, dass jeder Hund/ jedes Tier genauso leidet, bei jedem Aspekt, wie wir selbst; dass ein Tier nicht nur ein Tier ist, egal ob Hund, Pferd, Kuh im Stall etc. Beim Thema Hund ist jedoch das Hauptproblem, dass private Leute, die einen Hund haben, diesen nicht kastrieren lassen: zu geizig oder zu faul! Der Hund läuft durch die Ortschaften, trächtige Hündinnen werden ausgesetzt oder nach der Geburt ihrer Welpen entsorgt. Einige aus jedem Wurf, die nicht gefunden werden, schlagen sich immer durch und kurz darauf geht der Kreislauf von vorne los. Darum sind Tierheime dort überfüllt, Hunde kommen mit einem Minimum an Kosten in ein Lager oder werden, nach der Kastration, auf die Straße zurück geschickt . Man fragt sich, warum der Staat nicht interveniert? Warum gibt es keine Strafe, wenn Private ihren Hund nicht kastrieren lassen?! Ganz einfach: Ein Hund ist ein Hund, dessen Leid nicht interessiert. Außerdem wird in Regionen wie auf Sizilien, wo es auch den Menschen an Vielem mangelt (28% Jugendarbeitslosigkeit), kein Verständnis dafür aufgebracht. Und die Partei, die sich für Tiere einsetzen würde (was ja Geld kostet), würde garantiert nicht mehr gewählt werden. Somit dreht sich das Leid im Kreis.

Podencorosa: Wenn ja, gibt es ein Tier oder eine Geschichte, das bzw. die dir ganz besonders in Erinnerung geblieben ist?

Christine: Ich hätte zwei, aber nehmen wir Stella: Ich sah sie am 30.12.2012 zum ersten Mal auf Facebook. Sie war sechs Jahre alt und hielt sich halb verhungert mit ihren Welpen auf Sizilien auf. Es war ein Kampf, dass man mir erlaubte, Stella zu bekommen, da man mich nicht kannte und ich aus Deutschland kam. Damals glaubte man, dass in Deutschland alle Hunde in der Vivisektion landen. Nach vier Monaten war es endlich soweit! Stella kam mit dem Flieger nach Mailand, wo wir sie abholten. Natürlich wurde Stella von gleich zwei Sizilianerinnen und einer Dame aus Turin begleitet: Schließlich wollte man uns persönlich sehen und kennenlernen. Stella war genau der tolle Hund, den ich in ihr gesehen hatte. Nicht nur bildschön, auch ungemein liebenswürdig. Und trotzdem war sie ja irgendwie in ihrer Vergangenheit eine „Straßenschlampe“ gewesen, die mitten in Palermo die Gassen durchstreifte, immer auf sich alleine gestellt. Die Besitzer kleiner Läden kannten sie; bei jeder Läufigkeit ein Freier nach dem anderen. Manchmal dachte ich ganz leise für mich: Ob sie das Schlampen durch die Straßen Palermo’s nicht vermisst, wenigstens ein bisschen? Andererseits war sie eine Art „Grande Dame“, die mit aller Liebenswürdigkeit immer ihren eigenen Kopf behielt. Wenn sie Dich anlachte, dann hast Du ihr alles verziehen. Wäre sie ein Mensch gewesen, hätte ich gesagt, dass sie ein „Freigeist“ war. Am 06.12.21 hat sie uns kurz und schmerzlos verlassen. Sie schläft in unserem Garten; selbst das Hibiskusbäumchen auf ihrem Grab ist das Schönste, das wir haben. Und noch heute zaubert mir Stella ein Lächeln ins Gesicht, wenn ich an sie denke.

Podencorosa: Was würdest du dir wünschen, das mehr Menschen bewusst wäre?

Christine: Ich würde mir wünschen, dass „Mensch“ (auch in Deutschland) versteht, dass jeder Hund/jedes Tier genauso leiden kann wie wir Menschen es tun. Am Ende sind wir doch gar nicht so weit von Sizilien entfernt. So lange mit Tieren Geld verdient wird und es die entsprechende Lobby gibt, werden die Tiere weiterhin leiden. Getragen werden diese Umstände in Deutschland durch Menschen, die zum Beispiel viel und billiges Fleisch wollen oder Hunde, bestenfalls rassenrein, aus einer elendigen Zucht im Osten für fast geschenkt kaufen. Würde in Deutschland irgendetwas verboten werden, dann würden Unternehmen halt ihre Schlachthöfe o.Ä. nach Osteuropa verlegen. So viel zum Thema EU. Man könnte zu diesem Thema LEIDER Romane schreiben.

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